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2/4/2002       JAMESON SHORT FILM AWARD 2002, FILMFEST DRESDEN



JAMESON SHORT FILM AWARDS returned to Filmfest Dresden this week where the Festival Jury announced that filmmaker Caterina Klusemann won the Award for her documentary MATRILINEAL.


Jameson Short Film Awards, now in their 2nd year, have returned to Filmfest Dresden, and the German prize goes, once again, to a female film director. Last year, joint winners were Wiltrud Baier and Sigrun Koehler for "Wie Zeit fliegt" (How Time Flies) who subsequently screened their film at festivals abroad, receiving a "Special Mention" at the Cork Film Festival.


"Matrilineal" is a strong documentary. Caterina Klusemann delved into some mysteries within her own family with fascinating results. Her grandmother had kept her true identity and heritage secret from everybody throughout her life. However, Caterina's research for the film unfolded a series of poignant and traumatic stories, and eventually her secret came out.


Scripted in Spanish and in Italian, the film is moving and still relevant to life today. Almost like a confessional, the process of making the film became a kind of catharsis which affected the lives of all involved. Preservation of the secret had been necessary for survival. However, the discussion and dialogues, in particular with the very strong, fascinating and ultimately pivotal grandmother, finally allowed secrets to be spoken which unlocked the mystery of her carefully concealed origin.


The Filmfest Jury praised the film for "its originality in portraying how difficult it is to overcome the often essential self-protection of blocking-out terrible events and how liberating dialogue can be. The accent within the film is not so much on the final statement, as on showing the difficult ways needed to break down self-built barriers. The movement of the excellent camerawork underlines the authenticity of the psychological process involved."


The Jameson Short Film Awards (JSFA) are a joint initiative by Jameson Irish Whiskey and the European Coordination of Film Festivals (ECFF), who announced the expansion of the Europe-wide awards to be presented at 10 European Film Festivals during 2002. The aim of the JSFA is to represent vital support to European filmmakers and European cinema by enhancing the profile of the winning films amongst the industry, the press and the public.


BAYERISCHER DOKUMENTARFILMPREIS

- DER JUNGE LÖWE 2002 -

I n f o r m a t i o n


Die Gewinner sind ...


Im Rahmen einer festlichen Gala am Freitag, 28. Juni im Münchner Kulturzentrum Gasteig verlieh Staatssekretär Karl Freller, Bayerisches Staatsministerium für Unterricht und Kultus, zum dritten Mal den von der Staatsregierung gestifteten Bayerischen Dokumentarfilmpreis - Der junge Löwe.


Der Discovery Channel Award zeichnete darüber hinaus einen weiteren

innovativen Dokumentarfilm junger Filmemacher aus.


Der Ehrenpreis des Bayerischen Dokumentarfilmpreises würdigte die beiden Legenden des Genres Donn Alan Pennebaker und Chris Hegedus für ihre Verdienste um den Dokumentarfilm.



Der mit insgesamt 24.000 € dotierte Bayerische Dokumentarfilmpreis - Der junge Löwe zeichnet herausragende Nachwuchsleistungen im deutschen Dokumentarfilmschaffen aus.

Vergeben werden drei gleichwertige Einzelpreise mit einem Preisgeld von je 8.000 €. Das Preissymbol, ein in Bronze gegossener, sprungbereiter Löwe, wurde von dem Münchner Künstler Jochen Sendler geschaffen.



Bayerischer Dokumentarfilmpreis - Der junge Löwe:

Ausgezeichnet wurde


als Regisseurin, Autorin und Produzentin Caterina Klusemann

für den Film Ima

Produktion: Caterina Klusemann für ZDF/Arte


Aus der Begründung der Jury:


In dem Film geht es um eine Familie, nämlich die der Filmemacherin. Sie besteht nur aus Frauen, lebt irgendwo in Italien. Alles an dieser Familie ist irgendwie rätselhaft kryptisch. In dem Film geht es um Vergangenheitsbewältigung. Um Lüge und Wahrheit. Es geht um Wurzeln. Um Tradition. Um die Tatsache, dass ohne Vergangenheit keine Zukunft möglich ist. Die Filmemacherin ist entschlossen, das fehlende Puzzleteil der Familiengeschichte zu finden.

Catherina Klusemann ist eine ebenso berührende wie verstörende Dokumentation gelungen. Ein sehr persönlicher und intimer Film. Emotional und doch nie voyeuristisch. Nie hat man als Zuschauer das Gefühl, hier wird jemand vorgeführt und doch sind wir immer ganz da dran. Die Filmemacherin ist hartnäckig, aber nie unerbittlich. Man kann Catherina Klusemann um ihre Fähigkeit beneiden, Ernstes so heiter erzählen zu können.

Ima (Caterina Klusemann, 2001)

by Thomas Lehmann


[EXERPT]


"Ich werde die unbekannte Frau sein, die keine Vergangenheit hat und nicht gelebt haben wird, da meine Papiere gefälscht sind. Darüber kannst Du et-was machen," sagt die Grossmutter ganz am Schluss von Ima zu Kluse-mann, die ihr das Geheimnis ihrer Vergangenheit abgerungen hat. Das Inkognito als Fluchtmöglichkeit aus einer Identität, die anfangs der Vierzi-gerjahre zum Vorwand für organisierte Verfolgung und Mord wurde. Ge-gemodell für eine Gesellschaft, welche die Identität aus der Vergangenheit ableitet, sind für die Grossmutter, ursprünglich jüdische Polin, die USA, denn dort sei wichtiger, wer man sein möchte, als wer man gewesen sei. "Jeden Tag musst Du Dir sagen: ich bin heute geboren worden," erklärt sie ihrer Enkelin ungefähr in der Mitte des Films. "Deine Mutter sagte zu mir vor kurzem: ich fühle mich, als ob ich heute auf die Welt gekommen wäre. Und ich denke, das ist gut so." Keine Vergangenheit zu haben, vergessen können, was dich zu zerstören droht: das ist eine Position in Ima.

Diesen Standpunkt teilt die Filmemacherin nicht. Vergessen bedeutet für sie Verdrängen. Das Unausgesprochene, Verborgene vergiftet ihrer Auffas-sung nach die Beziehungen in ihrer Familie. Klusemann bedarf der Vergan-genheit und möchte wissen, woher sie kommt. Deshalb kämpft sie darum, das Rätsel ihrer Abstammung zu lösen – in Gesprächen mit ihrer Schwester und ihrer Mutter, vor allem aber in der Auseinandersetzung mit dem Menschen, der alle Schlüssel zur Vergangenheit besitzt: ihre Grossmutter. Auf diese Weise entdeckt sie schliesslich die jüdische Identität ihrer Familie.

Auf Hebräisch heisst Mutter "Ima". Daran erinnert sich die Grossmutter am Ende des Films, nachdem sie die Geschichte ihrer Verfolgung erzählt hat. Sie vertraut ihrer Enkelin auch an, dass sie sich in bitterer Not immer noch der paar Worte Hebräisch entsinne, die ihr die eigene Mutter für diese Fälle beigebracht habe. Im Medium der Sprache sind die Spuren der Person konserviert, die sie einmal war. Sie widersprechen der Auffasung, dass Vergessen möglich ist.

Die Fragmente der Muttersprache haben eine zusätzliche Funktion. Als Erinnerungen an die Mutter unterstreichen sie subtil die matrilineare Struktur der jüdischen Kultur:  ein weiteres Argument für die Bemühun-gen der Autorin. Ihre Identität leitet sich von derjenigen der Grossmutter ab.

Die Männer der Familie sind tot. Der Grossvater wurde im polnischen Lager ermordet. Der Vater der Filmemacherin, ein deutscher Maler, verstarb früh.


Erkämpftes Gedächtnis


Ima beginnt mit den Erinnerungen der Filmemacherin an ihre glückliche Kindheit in Italien. Im Zentrum der Familie steht die Grossmutter, die der Enkelin immer etwas fremd bleibt. Sie spricht Polnisch und Spanisch und isst zuweilen Hering zum Frühstück. Ihr Pass ist venezolanisch, hält jedoch einen polnischen Geburtsort fest. Was heisst, dass sie mitten in die Wirren des zweiten Weltkriegs geraten sein muss.

Die Sequenz bedient sich gängiger Gedächtnisbilder: Filme und Schnappschüsse aus dem Familienalltag, Photos, die das Heranwachsen der Kinder, den Schulalltag oder die Kommunion dokumentieren. Wir sehen die Grossmutter auf diesen Bildern älter werden. Wir erfahren, dass sie oft verärgert war und die beiden Enkelinnen etwas Angst vor ihr hatten.

Der Titel des Films wird über einem Fernseher eingeblendet, der das Bild der Blumen giessenden Grossmutter zeigt. Auf der Mattscheibe ist die Reflexion der Filmemacherin mit ihrer Videokamera erkennbar. Diese Kadrage wiederholt sich im Laufe des Films noch zwei weitere Male und bildet jeweils eine Zäsur in den Nachforschungen der Autorin. Von der Grossmutter auf die gängigen Bücher und Filme zur fraglichen Zeit verwiesen, sehen wir Klusemann später in derselben Einstellung vor dem Fernseher, über den schemenhaft Bilder von Krieg und Nationalsozialismus flackern: der Beginn der Suche. Nachdem sich Klusemann im ehemals polnischen, (nun ukrainischen) Geburtsort der Grossmutter selbst ein Bild zu machen versucht hat, sehen wir beim dritten Mal das Geburtshaus der Familie auf dem Schirm. Durch diese Einstellung wird der Abschluss ihrer Recherchen ausserhalb Italiens markiert. Im Anschluss daran entschliesst sich die Grossmutter, ihre Geschichte zu erzählen.

Die Spiegelungen auf dem Bildschirm haben nicht bloss strukturierende Funktion. Sie wirken zudem wie eine Chiffre des Verhältnisses der Autorin zu den Bildern, die ihre Ermittlungen produziert. Die Antwort auf die Fra-ge, wer ihre Grossmutter sei, wirft Licht auf die Identität der Fragenden selbst.

Nach dem Titel beginnen die Befragungen. Sie sind gekennzeichnet von der abweisenden Haltung der Grossmutter, die oft verärgert, manchmal verletzt ihre Enkelin abwehrt und deren Motivation und Respekt in Frage stellt. Einige Details gibt sie preis, dann wiederum wimmelt sie die lästige Fragerin ab. Die Montage reiht Tür an Tür, die vor der Kamera ins Schloss fällt.

Die Filmemacherin führt andererseits auch Gespräche mit Mutter und Schwester. Aus diversen Puzzlestücken ergibt sich das Bild einer komple-xen Familie, die einiges erlitten hat. Dazu gehört auch der frühe Tod des Vaters der Filmemacherin. Als die Mutter schliesslich an einer schweren Depression erkrankt, macht sich die Autorin zur erwähnten Reise in die Ukraine auf. Sie hofft, dort Spuren zu finden, die alles klären können.

Erst nach ihrer Rückkehr erreicht sie ihr Ziel. Die Grossmutter zeigt ihr die Papiere und Photos aus der Zeit der deutschen Besetzung. Sie hat sie, versteckt unter einer Kommode, aufbewahrt. Unter sichtlichen Anstrengungen erzählt sie, wie es ihr gelang, aus dem Ghetto zu entfliehen, wie sie ihr Kind, die Mutter der Filmemacherin, rettete. Ihr Mann wurde im Lager ermordet. Sie selbst überlebte, weil sie ihre Papiere immer wieder fälschen konnte, wenn es nötig wurde.

Nach dem Krieg möchte sie vergessen, was nur begreifen könne, wer es selbst erlebt hat. Das Schweigen versteht sie auch als Schutz ihrer Nachkommen. Indem sie ihre Identität mehrmals wechselte, rettete sie ihr Leben und das Leben ihrer Tochter. Da wird sie sich doch nicht wieder festschrei-ben lassen, in einer Welt, deren Formbarkeit sie mit jener von Butter ver-gleicht.

Dass die Enkelin ihr letztlich das Geheimnis entlocken konnte, begrüsst sie trotzdem. Sie erklärt, sie hätte es aus Liebe zu ihr erzählt. Und schliess-lich sei es gut, zu wissen, dass eine Verwandte die seelische Kraft besessen habe, nicht zu verzweifeln und die Möglichkeiten zum Überleben zu nutzen.

Zum Schluss zeigt der Film die vier Frauen in gelöstem Zusammensein. Die erzwungene Erinnerung scheint die Atmosphäre entspannt zu haben. Die Kraft des Traumas wirkt geschwächt.

Zur Position der Kamera

Der Film folgt der eingangs erwähnten Logik eines psychoanalytischen Zugangs zum Gedächtnis. Das Vergangene wirkt in die Gegenwart hinein und nur, wer es anerkennt, kann es handhaben. So ist Ima als Aufdecken einer Erinnerung gestaltet, die auch heilen soll.

Der Umgang mit der Kamera entspricht diesem Muster. Wie in Sherman’s March nimmt sie an jedem Gespräch teil, das die Autorin führt. Die Position des Aufzeichnungsgeräts stimmt meist mit jener überein, die in der besprochenen Spiegelung zu sehen ist: auf Brusthöhe hält es die Filmemacherin vor sich, so dass sich die gezeigte Perspektive ihrem eigenen Blickwinkel angleicht.

Als Zuschauer bin ich immer mittendrin im Geschehen. Diese Position erlaubt keine Distanz zu den befragten Personen. Mit der Fragenden spüre ich schmerzlich, wenn sie der Grossmutter zu nahe tritt. Ebenso hautnah erlebe ich die Zurückweisung der Kamera mit – die in einer Szene an der Tür des Zimmers verharrt, während die Grossmutter, genervt von der Fragerei, die Enkelin vor die Kamera dirigiert und einen Teppich staubsaugen lässt.

Mit anderen Worten zwingt mich die Kameraführung dazu, den Kampf um die Erinnerungsarbeit Schritt für Schritt nachzuvollziehen. Im Unterschied zu McElwees Film weicht der Blick jedoch kaum von seinem Ziel ab. Gerade diese Starre bewirkt, dass die Bilder noch stärker perspektiviert erscheinen, als in Sherman’s March. Nur selten ist mir als Zuschauer er-laubt, zu vergessen, wer die Kamera lenkt, indem mich zum Beispiel die Szene erst den Charakters des Blicks darauf entdecken liesse. Das Konzept erweist sich allerdings als folgerichtig, da die ergründete Familienge-schichte Konsequenzen für die Filmemacherin selbst hat.

In der im Kino ständig unterschwellig präsenten Frage, auf wessen Blick ein Bild zurückzuführen sei, haben verschiedene Theorien bereits Mechanismen entdeckt, die der Identifikation respektive Identitätsstiftung die-nen.  Persönliche Dokumentarfilme wie Sherman’s March oder Ima beantworten diese Frage klar und deutlich. Die Perpektivierungen dienen der Konstruktion von Identitäten, deren Basis – in beiden diskutierten Filmen – die Erinnerung bildet.


Abschluss


In diesem Artikel ging es mir darum, die Handhabung der Kamera in McElwees Sherman’s March und Klusemanns Ima in Bezug zur Erinnerung zu setzen, wie sie in den beiden Werken jeweils dargestellt wird. Beide Filme kennzeichnet, dass die Kamera in jede Situation einzudringen scheint, die Hand oder die Schulter der Filmenden kaum verlässt und beinahe manisch alles dokumentiert. In beiden Filmen spielt das Gedächtnis eine wichtige Rolle. Allerdings bestehen gerade hier auch Unterschiede.

Ist das Morgen bedroht, färbt dies die Spannung zwischen dem Heute und dem Gestern. So lapidar liesse sich McElwees Umgang mit der Erinnerung und der Handkamera beschreiben. Die Angst vor einem nuklearen Krieg und die vergebliche Suche nach einer Partnerin schaffen eine Atmo-sphäre, in der die Aufzeichnungen vor allem dazu zu dienen scheinen, für die Zukunft eine Erinnerung zu schaffen, die Zeichen setzt, dass im Jetzt überhaupt gelebt wurde.

Anders Klusemann. Ihre Kamera ist Schild und Waffe zugleich. Dahinter kämpft sie um die Verlängerung der Gegenwart in die Vergangenheit. Die Position hinter der Kamera ist gleichzeitig der Ort, auf den hin eine Identität konstruiert wird.

McElwees Film fängt die Diskurse des Kalten Krieges so stimmig ein, dass er als eine Art persönliches Zeitdokument schliesslich selbst Erinnerungsfunktion erhält. Ima enthält im Bereich der erwähnten Kindheitsbilder ähnliche Momente, zielt jedoch darauf ab, Erinnerungen erst möglich zu machen, um die Vergangenheit zu klären und in der Gegenwart Heilung zu ermöglichen.

Indem sie einen radikal persönlichen Blickwinkel wählen, stellen sowohl Ima als auch Sherman’s March Erinnerung als Prozess der Vergegenwärtigung dar, der dazu dient, sich mit dem Vergangenen kreativ auseinander-setzen. Sie vertreten damit eine Gedächtnisleistung, die sich vom Zugang zur Vergangenheit über Archiv und Datensammlung unterscheidet. Im Zentrum dieser Gedächtnisleistung stehen nicht die historischen Fakten an sich, sondern die so wichtige Feststellung, dass diese Fakten ihren Wert vor allem dann entfalten können, wenn sie in relevanten, persönlichen Kontexten auch von Generation zu Generation weitergegeben werden.

Die entsprechende Erinnerungsform wurde eingangs dem kinematographischen Gedächtnis zugeordnet. Die Unterscheidung von kinematographischem Gedächtnis und Speicherplatte soll nun allerdings nicht heissen, dass sich durch sie das Kino einerseits vom Computer andererseits sauber tren-nen liesse. Die Medien entwickeln sich bekanntlich im Verbund. So hat die zunehmende Wichtigkeit von Fernsehen und Computer in andern Filmen, die sich der Erinnerung widmen, bestimmt andere Spuren hinterlassen.


Literatur

Assmann, Aleida (1999): Erinnerungsräume. Formen und Wandlungen des kulturellen Gedächtnisses. München: Beck


Dayan, Daniel: "The Tutor–Code of Classical Cinema." In: Gerald Mast, Marshall Cohen, Leo Braudy (Ed.): Film Theory and Criticism: Introducto-ry Readings, Fourth Edition. Oxford: Oxford University Press, 1992, S. 179 – 191


Gass, Lars, H. (1998): "Der Blick, der die Medusa sieht. Vier Nachträge zu ‚Erinnerung und Film‘". In: Karpf, Ernst; Kiesel, Doron; Visarius, Karsten (Hrsg.) Once upon a time... Film und Gedächtnis. Marburg: Schüren, S. 73 – 81


Klippel, Heike (1998): "Das kinematographische Gedächtnis". In: Karpf, Ernst; Kiesel, Doron; Visarius, Karsten (Hrsg.) Once upon a time... Film und Gedächtnis. Marburg: Schüren, S. 39 – 56


Reck, Hans Ulrich (1992). "Geschwindigkeit, Destruktion, Assoziation. Zur Zukunft des Erinnerns in der Medienkultur." In: Reck, Hans Ulrich (Hrsg.): Zur Zukunft des Erinnerns in der Medienkultur. Ein Symposium der Lehr-kanzel für Kommunikationstheorie. Wien, S. 1 – 16

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"Ima":

Juliane-Bartels-Preis für Caterina Klusemann


Iris Noah


Nachdem Caterina Klusemann bereits den Bayerischen Dokukumentarfilmpreis für ihren Film Ima (hebr. Mutter) erhalten hat, bekam sie diese Woche den Juliane-Bartels-Preis.


Mit "Ima" hat Caterina Klusemann einen sehr persönlichen Film gedreht: Sie erzählt die Geschichte der Frauen ihrer Familie. Eng verbunden leben Großmutter, Mutter und Schwester gemeinsam in einem Haus in der Toskana. Nie wird über die Vergangenheit gesprochen. Die Großmutter hüllt ihre furchtbaren Erlebnisse während der Shoah in einen immer unerträglicher werdenden Mantel des Schweigens. Nachdem sie überlebt hatte, ging sie erst nach Venezuela und später nach Italien um ein neues Leben zu beginnen. Über alles, was "vor dem Krieg" war dürfte nicht gesprochen werden.


Caterina Klusemann und ihre Schwester, die mit Mutter und Großmutter in einem Haus in der Toscana aufwuchs, erlebte sich als "anders" ohne dies genauer benennen zu können. Auf Fragen nach der Vergangenheit reagiert die Großmutter harsch, unwillig und aggressiv. Doch die tiefen Depressionen, in die ihre Mutter verfällt, werden zum Ausgangspunkt für eine Spurensuche, die nach Lemberg führt, wo die Großmutter früher gelebt hat und tatsächlich noch Menschen auffindbar sind, die sich an den Großvater erinnern.


Es ist ein langwieriger und für alle schmerzhafter aber letztlich heilsamer Prozess als die Großmutter bereit ist, über einige Erinnerungen zu sprechen. Besonders beeindruckend ist es, zu beobachten, wie sich das Gesicht der Großmutter verändert.

Der Film ist deutsch, italienisch, spanisch, ukrainisch, jiddisch und mit englischen Untertiteln versehen. Das einzige hebräische Wort aus ihrer Kindheit, an das sich die Großmutter erinnern kann und das sich ihr mühsam entringt ist "Ima" (Mutter).


Der Film ist eine sehr persönliche Annäherung, aber niemals distanzlos. Er wurde als Jahresprojekt von der Stiftung "Zurückgeben" unterstützt, die jüdische Wissenschaftlerinnen und Künstlerinnen fördert und bereits auf arte, sat und im WDR-Fernsehen gezeigt.


Von Caterina Klusemann war auf der letzten Ausstellung der Künstlergruppe Meshulash paradiso@diaspora eine Video-Installation "der letzte Mohikaner" zu sehen. Sie wird auch während der diesjährigen jüdischen Kulturtage bei der Ausstellung Re-Generationen vom 11. bis 24. November in der alten Pakethalle, Galerie, Monbijoustraße 1 (gegenüber von der Neuen Synagoge), täglich von 14.00 h bis 20.00 h. ausstellen.



in deutscher Film im http://www.zdf.de/ZDFdeWettbewerb

Programmdirektor Frémaux zur Auswahl

Thierry Frémaux, der Programmdirektor des Filmfestivals in Cannes, hat nichts gegen das deutsche Kino. Nur zum Wettbewerb einladen wollte er keinen Film aus Deutschland - wie schon in den letzten fünf Jahren.

09.05.2003


      

    "Man kann wirklich nicht sagen, dass der deutsche Film in Cannes nicht präsent ist", betont Frémaux und verweist auf weitere deutsche Beiträge: Außer Konkurrenz wird der Dokumentarfilm "The Soul of A Man" von Wim Wenders gezeigt. Die deutsche Produktion "Kleine Freiheit" von Yüksel Yavuz läuft in der "Quinzaine des Reálisateurs". In die Kurzfilmreihe "Cinéfondation" wurden zwei deutsche Beiträge eingeladen, "Am See" von Ulrike von Ribbeck und "TV-City" von Alberto Coucero und Alejandra Thome. Der dokumentarische Kurzfilm "Matrilineal" von Caterina Klusemann wird in der "Semaine de la Critique" gezeigt.


 

Buchpräsentation:

"Uns hat keiner gefragt"


Jens Fabian Pyper (Hrsg.), Uns hat keiner gefragt. Positionen der dritten Generation zur Bedeutung des Holocaust.

Philo Verlag, Berlin 2002

Euro 19,90



"Die herausragende Bedeutung des Holocaust für die dritte Generation in seiner identitäts- und geschichtsstiftenden Rolle" war der Titel eines Projekttutoriums, das Jens Fabian Pyper 1999/2000 an der Humboldt-Universität Berlin leitete. Daraus entstand im folgenden Jahr ein Buch, das Positionen der dritten Generation zur Bedeutung des Holocausts aus unterschiedlichen Blickwinkeln und aus verschiedenen Disziplinen befragt. In Zusammenarbeit mit der Stiftung "Neue Synagoge Berlin – Centrum Judaicum", der Aktion Sühnezeichen Friedensdienste und der Stiftung ZURÜCKGEBEN wird der Band nun erstmals der Öffentlichkeit vorgestellt.


"Ich bin 1972 geboren und in der Bundesrepublik aufgewachsen. Als ich sieben war, sah ich im Fernsehen eine Serie über den Judenmord. Mein Lieblingsbuch war Als Hitler das rosa Kaninchen stahl. In meiner ganzen Jugend kannte ich nur Helmut Kohl als Kanzler. Im Urlaub im Ausland fand ich es immer ein bißchen peinlich, deutsch zu sein. Als ich siebzehn war, fiel die Mauer. Mit neunzehn protestierte ich gegen den Golfkrieg und fing an zu studieren. Immer wieder nahm ich an Demonstrationen gegen Neonazis teil; inmitten der Lichterketten fühlte ich mich wütend und hilflos, aber auch zuhause. Als sich das Ende des Zweiten Weltkriegs zum fünfzigsten Mal jährte, fing ich an, mich mit dem Holocaust zu beschäftigen. Ich bin in Israel gewesen und habe mich mit Gleichaltrigen unterhalten. Als ich Martin Walsers Friedenspreisrede hörte, wußte ich, daß ich anders denke als er. Aber ich denke auch anders als die anderen. Man schaut auf mich. Ich bin Mitglied der Generation X, der Generation Golf, ich bin Kind der 68er, manche glauben deshalb, ich gehöre zu den 89ern. Meine Großväter waren im Krieg. Meine Großmütter haben meine Eltern aufgezogen. Meine Eltern haben ein Haus gebaut. In dieser Familie und in diesem Land bin ich Angehörige der dritten Generation."


Mit diesem Ausschnitt aus einer Biographie beginnt der Band, eine Biographie, die eine ganze Generation beschreiben kann, mit deren Eckdaten sich viele Leser identifizieren werden und die auch für einen Teil der Autorinnen und Autoren, die "persönlich und wissenschaftlich Stellung zu Fragen und Debatten aus der Rezeptionsgeschichte des Holocaust" beziehen, charakteristisch ist.


Die Autorinnen und Autoren, geboren zwischen 1967 und 1977, verstehen sich nicht nur durch eine äußere, quasi künstliche Definition als Angehörige der dritten Generation. Sie teilen trotz der unterschiedlichen Orte, an denen sie aufwuchsen, die Erfahrung eines bestimmten Zeitgeistes und bestimmter prägender Ereignisse. "Schindlers Liste oder die Auseinandersetzung um das Berliner Mahnmal lassen sich in diesem Sinne als generationsbildend verstehen", betont Meike Herrmann im Vorwort.


Ihnen gelingt dabei ein vielseitiger Blick auf die Rezeption des Holocausts, der aus den unterschiedlichsten Disziplinen, von der Geschichtswissenschaft bis zur Psychologie, schöpft. Die ersten Beiträge widmen sich der Holocaust-Rezeption in der Bundesrepublik und der besonderen Situation von Juden in der DDR. Nina Leonhard fasst in ihrem Beitrag die Ergebnisse einer qualitativen Studie im Rahmen ihrer Dissertation zusammen, die den Wandel der Erinnerung an Nationalsozialismus und Holocaust in Ost- und Westdeutschland untersucht. Den Abschluss des ersten Teils der Aufsatzsammlung bildet eine polemische Skizze über das nationale Identitätsempfinden.


Ein zweiter Teil befasst sich mit der jüdisch-israelischen Perspektive der Holocaust-Rezeption. Meike Herrmann geht Grundformen jüdischer Erinnerung nach und folgt dabei den Begriffen Geschichte, Gedächtnis und Erzählung. Leider geht ihre Analyse im interessanten Teil, dem Verhältnis der dritten Generation, zu wenig in die Tiefe. Auch der Beitrag von Johannes Valentin Schwarz über sakralisierten Formen des öffentlichen Gedenkens an den Holocaust in Israel und Deutschland birgt keine neue Perspektiven in sich.


Die zwei folgenden Beiträge beschäftigen sich mit den prominentesten Beispielen der Holocaust-Debatte der vergangenen Jahre, Martin Walsers Friedenspreisrede und dem Bau des Berliner Mahnmals.


Den Abschluss des Bandes bilden zwei Beiträge, die eine innere Perspektive vorstellen. Gesine Grossmann stellt aus psychologischer Perspektive zwei unterschiedliche Umgangsweisen mit der Holocaust-Vergangenheit in der dritten Generation dar. Catarina Klusemann gibt schließlich Einblick in ihre eigene Geschichte und das dadurch geprägte Bild des Holocausts, plädiert dabei aber für einen allgemein menschlichen Umgang mit der Erinnerung.


Der Wechsel zwischen rein wissenschaftlichen und persönlich geprägten, teils auch autobiographischen Beiträgen ist gleichzeitig Stärke und Schwäche des Buches. Die Konzeption der Aufsatzsammlung stellt die notwendige Freiheit für die Autorinnen und Autoren sicher und ermöglicht die erfreuliche Vielfalt der Beiträge. Andererseits wirkt der Gegensatz zwischen beiden Formen der Aufsätze oft schroff und an manchen Stellen auch störend.


Vielleicht ist es aber tatsächlich nicht anders möglich, die unterschiedlichen Zugänge und Auffassungen wiederzugeben. Denn trotz ähnlicher Alters-, Bildungs- und Betroffenheitsgrade sind in der Gruppe der Autorinnen und Autoren so viele Auffassungen aufeinandergeprallt, "daß wir streckenweise unfähig waren, uns über den Holocaust zu verständigen", wie Catarina Klusemann schreibt. Umso entscheidender tönt ihr Schlusscredo: "Ich glaube, daß alles, was mit dem Holocaust zusammenhängt, noch nicht zuende gedacht ist, daß meine Erinnerung weder die einer Opferenkelin noch die einer Täterenkelin allein sein kann. Ich kann nicht die Selbstverständlichkeiten, die die eine oder andere Gruppe weitergibt, übernehmen. Ich kann meine Moral nicht nur auf einer deutschen oder jüdischen Erinnerung aufbauen. Ich möchte als Mensch mit dem Holocaust umgehen. Bedeutungen, die nur für Gruppen gelten, reichen in unserer Welt nicht aus."


 


Buchpräsentation:


Donnerstag, 12. Dezember 2002, 19:30 Uhr

Ort: Centrum Judaicum, Oranienburger Straße 28–30, 10117 Berlin


Anschließend stellen sich die jungen Autorinnen und Autoren den Fragen des Publikums (mit kurzer Vorstellung einzelner Beiträge).